Caniner Diabetes mellitus

Caniner Diabetes mellitus ist der medizinische Fachbegriff für die Zuckerkrankheit beim Haushund. Umgangssprachlich auch Hundediabetes oder Zuckerhund genannt. Die ersten Symptome sind vermehrter Durst und erhöhte Nahrungsaufnahme, bei vermehrtem Harnabsatz und Abmagerung.


Wie beim Menschen, so nimmt auch beim Hund die Anzahl der Zuckerkranken zu. Man schätzt, dass etwa 0,3 bis 1 % der Gesamtpopulation der Haushunde an Diabetes mellitus erkrankt ist. Die Zuckerkrankheit stellt mittlerweile die zweithäufigste Hormonstörung des Hundes dar. In 8 von 10 Fällen handelt es sich bei den erkrankten Tieren um erwachsene, unkastrierte Hündinnen.

Prinzipiell lässt sich die Erkrankung in den insulinabhängigen und nichtinsulinabhängigen einteilen. Grundsätzlich können auch beim Hund alle Formen der Zuckerkrankheit auftreten. In der Praxis wird jedoch fast ausschließlich der insulinabhängige Diabetes mellitus beobachtet, der nichtinsulinabhängige (Typ-II-Diabetes) – also eine Insulin-Resistenz der peripheren Insulin-Zielzellen – im Gegensatz zu Mensch und Katze, so gut wie nie.

Beim primären Diabetes mellitus mit absolutem Insulinmangel (Typ-I-Diabetes) arbeiten die insulinproduzierenden Betazellen der Bauchspeicheldrüse nicht mehr oder nicht mehr ausreichend, entweder aufgrund genetischer Disposition, Infektion oder Antikörperbildung gegen die Betazellen. Er macht beim Hund etwa die Hälfte der Fälle aus, entwickelt sich aber, im Gegensatz zum Menschen, vorwiegend bei erwachsenen Tieren.

Der so genannte sekundäre Diabetes mellitus (Typ-III-Diabetes des Menschen) entsteht als Folgeerkrankung. Dies können eine Bauchspeicheldrüsenentzündung (Pankreatits), ein Pankreastumor, eine Nebennierenüberfunktion (Cushing-Syndrom), eine Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) oder eine übersteigerte Ausschüttung des Wachstumshormons (Hypersomatotropismus) sein. Außerdem kann ein sekundärer Diabetes mellitus durch die Verabreichung diabetogener Medikamente (Kortisone, STH, Gestagene) ausgelöst werden.


Sowohl primärer als auch sekundärer Diabetes mellitus sind beim Hund, im Gegensatz zur Katze, in der Regel irreversibel.

Als Besonderheit kann ein Diabetes mellitus in Folge des Diöstrus (Zwischenbrunst) bei unkastrierten Hündinnen auftreten. Hierbei stimuliert das von den Eierstöcken ausgeschüttete Progesteron die Bildung von Wachstumshormon, welches als Gegenspieler von Insulin wirkt. Wird die Gestagenausschüttung nicht mittels einer Kastration beseitigt, ist eine lebenslang therapiebedürftige Zuckerkrankheit unvermeidlich. Obgleich diese Form des Diabetes nach Entfernung der Keimdrüsen zunächst reversibel ist, weisen die betroffenen Hündinnen bereits vor dem Auftreten der Symptome einen reduzierten Gehalt an Beta-Zellen auf und sind damit auch als kastrierte Tiere anfällig für die Erkrankung.


Krankheitsentstehung

Mit einem Insulinmangel kann der Traubenzucker (Glukose) nicht mehr in den Zellen verwertet werden. Hinzu kommen noch Störungen im Fett- und Aminosäurestoffwechsel.  In Folge der gestörten Verwertbarkeit der Glukose, die durch die Aufnahme über die Nahrung und durch Synthese in der Leber im Körper vorkommt, reichert sie sich zunächst im Blut an.

Ab einem gewissen Grenzwert (ca. 200 mg/dl) wird die Rückgewinnungskapazität in den Nierenkanälchen der Niere überschritten und es kommt zur Zuckerausscheidung im Harn.

Infolge der osmotischen Wirkung der Glukose wird auch vermehrt Wasser über den Harn ausgeschieden, die Urinmenge steigt also an. Der erhöhte Wasserverlust wird durch eine vermehrte Wasseraufnahme ausgeglichen. Der Glukosemangel im Gehirn, speziell im Sättigungszentrum im Hypothalamus (Teil des Zwischenhirns), führt zu Hunger und gesteigerter Nahrungsaufnahme. Infolge der gestörten Glukoseverwertung versucht der Körper, den Energiemangel durch Abbau von Proteinen (vor allem aus der Muskulatur und Fett) zu kompensieren. Dies führt zu Abmagerung.

Bei längerem Bestehen eines Insulinmangels kann es zu einer weiteren Stoffwechselentgleisung, der so genannten Ketoazidose kommen. Infolge des gesteigerten Fettabbaus werden vermehrt Fettsäuren freigesetzt, die vom Körper nicht mehr im Zitronensäurezyklus verwertet werden können und zu Ketokörpern umgewandelt werden. Da Ketokörper einen sauren pH-Wert haben, kommt es zu einer Übersäuerung. Die überschüssigen Ketokörper können ebenfalls über den Urin ausgeschieden werden und verstärken infolge ihres osmotischen Effekts die Polyurie. Eine ausgeprägte Ketoazidose ist ein lebensbedrohlicher Zustand.


Klinische Erscheinung

  • Bei Routineuntersuchung ein erhöhter Blutzuckerspiegel
  • Übermäßige Flüssigkeitsaufnahme
  • Vermehrter Harnabsatz
  • Erhöhte Futteraufnahme
  • Gewichtsverlust
  • Nachlassendes Sehvermögen
  • Tiere zeigen Abgeschlagenheit und sind komatös

Behandlungsmöglichkeiten

Der Canine Diabetes Mellitus wird durch die Zuführung von Insulin therapiert.

Bei unkastrierten Hündinnen ist die Kastration als erste Maßnahme zu empfehlen, da die Bildung von Progesteron während des Metöstrus der Diöstrus zur Destabilisierung der Erkrankung führt und infolge des induzierten Insulin-Gegenspielers Somatotropin eine korrekte Einstellung auf Insulin nicht möglich ist. Im Idealfall, der allerdings nur selten eintritt, verschwinden die Symptome der Erkrankung mit der Entfernung der Eierstöcke und es besteht kein weiterer Behandlungsbedarf.

Bei der Insulinbehandlung sind zwei Phasen zu unterscheiden

  • die Stabilisierung des Hundes durch Einstellung der korrekten Insulindosis und
  • die Erhaltung des Hundes durch eine regelmäßige Überwachung der Blutzuckerwerte.

Das Ziel der Behandlung ist stets eine Minimierung der klinischen Symptome, des Risikos einer Hypoglykämie und der Entwicklung von Folgeschäden.


Insulin

Da der Diabetes mellitus beim Hund praktisch ausnahmslos insulinabhängig und irreversibel ist, ist eine lebenslange Verabreichung einer korrekten Menge an Insulin durch subkutane Injektion notwendig. Die Ermittlung der korrekten Insulinmenge erfolgt durch Einstellung des Patienten anhand des Blutzuckerwertes, am besten anhand eines Tagesprofils (s. u.), durch den Tierarzt. Hierbei wird mit einer Dosis im unteren Dosisbereich begonnen und anhand des Zuckergehalts im Blut die Dosis über mehrere Wochen individuell angepasst.

Das einzige derzeit in Deutschland für den Hund zugelassene Insulinpräparat ist ein mittellang wirksames, so genanntes Intermediär-Insulin vom Schwein. Nach den arzneimittelrechtlichen Vorschriften dürfen andere Präparate nur im Sinne eines Therapienotstandes, also bei ausbleibender oder ungenügender Wirkung oder Unverträglichkeit angewendet werden. In diesen Fällen können auch Humaninsuline verwendet werden. Bei einem komplizierten Krankheitsverlauf können so individuell abgestimmte Kombinationen aus langwirksamen und kurzwirksamen Insulinen eingesetzt werden. Die orale Gabe von Antidiabetika ist beim Hund nicht indiziert. Die Insulingabe erfolgt bei Intermediärinsulin zweimal täglich, und zwar erst nach der Fütterung. Damit umgeht man, dass der Hund in einen lebensgefährliche Unterzuckerung gerät, weil er Insulin zwar erhalten hat, danach aber nicht die entsprechende Menge an Kohlenhydraten aufnimmt (s. u.).


Unverzichtbare begleitende Maßnahmen bei der Behandlung des erkrankten Hundes sind:

  • Einstellung auf das ideale Körpergewicht (Gewichtsabnahme, Gewichtszunahme)
  • Einhaltung eines strikten Fütterungskonzeptes (Futterart, Futtermenge und Fütterungszeit sollen stets gleichbleibend sein). Das für Hunde zugelassene Insulin besteht aus einem amorphen Insulin und einem kristallinen Insulin, deren maximale Wirkung zum Einen kurz nach der Injektion, zum Anderen etwa nach 7 bis 8 Stunden auftreten, eine Eigenschaft, die bei der Fütterung berücksichtigt werden muss. Für eine gute Einstellung des Patienten ist eine rohfaserreiche Diät von Vorteil. Dazu gibt es spezielle kommerzielle Diätfuttermittel. Selbst zubereitetes Futter sollte aus einem Drittel Fleisch, einem Drittel Kohlenhydratquellen und einem Drittel Gemüse bestehen.
  • Minimierung von physischem und psychischem Stress (z.B. keine ungewohnte körperliche Belastung)

Außerdem müssen weitere eventuell vorliegende Grundkrankheiten ausgeschlossen bzw. behandelt werden. Auch Begleitkrankheiten müssen diagnostiziert und behandelt werden, da sie die Wirksamkeit des verabreichten Insulins senken können. 21% der an Diabetes mellitus erkrankten Hunde entwickeln eine meist subklinische Harnblasenentzündung.


Unterzuckerung

Auch bei einem gut eingestellten Hund kann es zu einer Unterzuckerung (hypoglykämischer Schock), d.h. zu einem zu niedrigen Blutzuckerwert kommen. Die Anzeichen dafür sind starker Hunger, Unruhe, Zittern, Bewegungsstörungen (Zuckungen) bis hin zum Koma. Eine Unterzuckerung ist immer ein Notfall und muss sofort behoben werden.

Als Gegenmaßnahme wird empfohlen:

  • Anbieten von Futter
  • Einflößen einer Zuckerlösung (Traubenzucker, Honig oder Glukosesirup)
  • Gabe eines Würfelzuckers oder Traubenzucker unter die Zunge,

Sollten diese Maßnahmen nicht zum Erfolg führen, ist eine umgehende Vorstellung beim Tierarzt unumgänglich.


Ernährung bei Diabetes

Diabetische Hunde sollten ein Futter erhalten, das kohlenhydratarm und rohfaserreich ist.

Rohfaserreiches Futter erhöht die Transitzeit im Magen-Darm-Trakt.

  • Komplexe Kohlenhydrate erhöhen die Transitzeit im Magen-Darm-Trakt.
  • Fasern verzögern die Entleerung des Magens und die Resorption im Darm.
  • Glukose wird langsam in den Blutkreislauf freigesetzt.
  • Die postprandiale Glukosekurve wird flacher, so dass eine niedrigere Insulindosis verabreicht werden kann.

Die Mahlzeiten sollten zeitlich so abgestimmt werden, dass die Resorption der Glukose im Magen-Darm-Trakt mit den Wirkungsspitzen des verabreichten Insulins zusammenfällt. Hierdurch werden Schwankungen des Blutzuckerspiegels und damit hyperglykämische Episoden und Hypoglykämie auf ein Minimum reduziert.

  1. Hunde, die einmal täglich Insulin erhalten
    • Die erste Mahlzeit (z. B. 1/4-1/3 der Tagesration) wird vor der morgendlichen Insulininjektion gefüttert. So kann der Besitzer vor der Insulingabe sehen, ob es dem Hund gut geht und er normal frisst.
    • Die zweite Mahlzeit (die restliche Tagesration) wird in der Regel etwa 6-8 Stunden später gefüttert.
  2. Hunde, die zweimal täglich Insulin erhalten

Es muss sichergestellt werden, dass es in der Nacht zu keiner hypoglykämischen Episode kommt. Im Idealfall sollte die Tagesration auf vier kleine Mahlzeiten verteilt werden. Dies ist jedoch in der Regel nicht möglich. Alternativ können zwei oder drei etwa gleich große Mahlzeiten so gleichmäßig wie möglich über den Tag verteilt werden.

  • Die erste kleine Mahlzeit wird vor der morgendlichen Insulininjektion gefüttert. So kann der Besitzer vor der Insulingabe sehen, ob es dem Hund gut geht und er normal frisst.
  • Die zweite Mahlzeit wird normalerweise etwa 6-8 Stunden später gefüttert.
  • Eine dritte kleine Mahlzeit wird vor der Insulininjektion am Nachmittag oder Abend gefüttert.
  • Eine vierte Mahlzeit kann am späten Abend gefüttert werden.

Bei zweimal täglicher Fütterung wird jeweils die Hälfte der Tagesration vor der Insulininjektion verabreicht.